Aggression und Gewalt in der Pflege – ein Tabuthema

Von Nicole P.

Letzte Aktualisierung am: 22. Februar 2024

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Was ist unter Gewalt in der Pflege im Detail zu verstehen? Unser Ratgeber liefert die Antwort.
Was ist unter Gewalt in der Pflege im Detail zu verstehen? Unser Ratgeber liefert die Antwort.

Die Versorgung von pflegebedürftigen Menschen ist eine anspruchsvolle und anstrengende Arbeit. Daher kann es durchaus vorkommen, dass sowohl Angehörige als auch ausgebildete Pflegekräfte mit dieser Aufgabe überfordert sind. Eskaliert die Situation vollständig, kann dies unter Umständen in Gewalt in der Pflege münden.

FAQ: Gewalt in der Pflege

Wie kann sich Gewalt in der Pflege äußern?

Gewalt in der Pflege kann verschiedenste Formen annehmen. Neben körperlichen Schlägen kann es sich dabei zum Beispiel auch um Vernachlässigung und Beleidigungen handeln.

Wenn kann Gewalt in der Pflege betreffen?

Dabei kann diese sowohl von den pflegenden Personen (Angehörige oder Fachkräfte) als auch von den Pflegebedürftigen ausgehen. Mehr zu den Formen der Gewalt erfahren Sie hier.

Was können Ursachen für die Gewalt sein?

Als Ursachen gelten nicht selten Überforderung, finanzielle Sorgen und Hilflosigkeit. Informationen zu den möglichen Ursachen bietet der Ratgeber hier.

Formen von Gewalt in der Pflege: Das sollten Sie wissen!

Gewalt in der Pflege – eine Definition

Gewalt in der Pflege: Mögliche Beispiele können Schläge, Beleidigungen oder Vernachlässigung sein.
Gewalt in der Pflege: Mögliche Beispiele können Schläge, Beleidigungen oder Vernachlässigung sein.

Den Begriff „Gewalt“ assoziieren die meisten von uns mit Schlägen und körperlichen Misshandlungen. Dabei kann sich dahinter sehr viel mehr verbergen. So ist laut Definition unter Gewalt in der Pflege alles zu verstehen, was einer pflegebedürftigen Person Schaden oder Leid zufügt. Diese Beeinträchtigung kann dabei sowohl körperlich, seelisch oder finanziell erfolgen.

Gewalt in der Pflege stellt in unserer Gesellschaft ein Tabuthema dar, ist diese doch nicht selten als Beweise dafür zu verstehen, dass in unserem Gesundheits- und Versorgungssystem etwas falsch läuft. Aus diesem Grund lässt sich das Problem der Gewalt in der Pflege durch eine Statistik nur schwer belegen, zudem muss bei den vorhandenen Zahlen von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden.

Zu den wenigen vorhandenen Auswertungen gehört die Erhebung durch das Zentrum für Qualität in der Pflege. Dabei wurden Angehörige zur Gewalt in der häuslichen Pflege befragt. Mehr als ein Drittel der Teilnehmenden gab dabei an, sich schon mindestens einmal unangemessen gegenüber der zu pflegenden Person verhalten zu haben. So hätten 79 Prozent diese beschimpft, 26 Prozent die Hilfe verweigert bzw. den Pflegebedürftigen warten lassen und 6 Prozent mit körperlicher Gewalt reagiert.

Bei Gewalt in der Pflege gehen wir meist automatisch davon aus, dass sich die Misshandlungen gegen die pflegebedürftige Person richten. Allerdings ist es genauso gut möglich, dass in Pflegeheimen die Gewalt in der Pflege durch die Bewohner erfolgt und sich gegen das Pflegepersonal richtet. Insbesondere bei krankheitsbedingten Veränderungen im Gehirn und der Pflege bei Demenz kann sich Hilflosigkeit sowie Angst in solchen Formen zeigen.

Möglich Ursachen von Gewalt in der Pflege

Gewalt in der Pflege: Zu den Ursachen zählen nicht selten Überforderung, Angst oder Verzweiflung.
Gewalt in der Pflege: Zu den Ursachen zählen nicht selten Überforderung, Angst oder Verzweiflung.

Die möglichen Ursachen von Gewalt in der Pflege können grundsätzlich sehr vielfältig sein und sich von persönlichen bis hin zu strukturellen Problemen erstrecken. So spielen zum Beispiel das eigene Aggressionspotenzial und der Umgang mit schwierigen Situationen eine entscheidende Rolle.

Aber auch eigenen Gewalterfahrungen, eine Suchterkrankung oder zwischenmenschliche Konflikte mit dem Gepflegten können zu Gewalt führen. Darüber hinaus kann die Versorgung von pflegebedürftigen Personen zu einer Überlastung führen, die nicht selten auch mit finanziellen Problemen einhergeht.

Auch in der professionellen Pflege ist Gewalt kein Einzelfall. Denn die Fachkräfte der Pflegedienste und Pflegeheime sehen sich mit einem hohen Zeitdruck, ständigem Personalmangel und viel Verantwortung konfrontiert. Zudem kann auch eine mangelnde Kompetenz eine Ursache für Gewalt in der Pflege sein.

Die hier aufgeführten Ursachen von Gewalt in der Pflege rechtfertigen natürlich in keiner Weise irgendeine Form von Übergriffen. Allerdings können Sie dazu beitragen, die Beweggründe zu verstehen und entsprechende präventive Maßnahmen zu ergreifen.

Welche Formen von Gewalt in der Pflege lassen sich unterscheiden?

Gewalt in der Pflege kann viele Formen annehmen und auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen. Grundsätzlich lassen sich folgende Ebenen unterscheiden:

  • Unter personeller Gewalt in der Pflege sind Handlungen zu verstehen, die sich direkt von einer Person gegen ein andere richten. Mögliche Beispiel wären Schläge und Beschimpfungen.
  • Strukturelle bzw. institutionelle Gewalt entsteht in der Pflege durch die von Gesetzen und Institutionen geschaffenen Rahmenbedingungen. Hierbei kann es sich zum Beispiel um eine schlechte Versorgung aufgrund des unzureichenden Personalschlüssels in Pflegeheimen handeln.
  • Kulturelle Gewalt in der Pflege basiert auf den Werten unserer Gesellschaft. So kann eine abwertende Meinung gegenüber älteren und pflegebedürftigen Menschen dazu führen, dass Übergriffe eher toleriert werden.
Aggression und Gewalt in der Pflege können sich auf verschiedenste Weise äußern.
Aggression und Gewalt in der Pflege können sich auf verschiedenste Weise äußern.

Sowohl bei der kulturellen als auch bei der strukturellen Ebene handelt es sich um indirekte Gewalt in der Pflege. Aber auch persönliche Übergriffe oder Eingriffe können in verschiedensten Erscheinungsformen auftreten.

Die offensichtlichste Form zeigt sich durch körperliche Gewalt. Dabei müssen es aber nicht immer Schläge oder ein Kniff sein. Denn auch die Unachtsamkeit bei einem Verbandswechsel oder ruppige Hilfestellungen können dazu zählen.

Tiefe und dennoch nicht sichtbare Wunden kann verbale Gewalt hinterlassen. In der Pflege kann es sich dabei zum Beispiel um Beleidigungen oder ein respektloses Verhalten handeln. Zudem sollten Angehörige und Fachkräfte die Bedürfnisse der pflegebedürftigen Person stets ernst nehmen.

Nicht zuletzt können auch freiheitsentziehende Maßnahmen, eine erzwungene Nahrungsaufnahme, die Vernachlässigung der Körperpflege, unterlassene Hilfeleistungen oder eine Bevormundung bei finanziellen sowie informativen Belangen zur Gewalt in der Pflege gezählt werden.

Der Umgang mit Gewalt in der Pflege und deren Folgen ist meist schwierig, denn nicht selten zieht diese einen erheblichen Vertrauensverlust nach sich. Betroffene sollten sich im Idealfall noch bevor die Situation eskalieren kann, professionelle Hilfe suchen. Eine Option sind zum Beispiel Selbsthilfegruppen für pflegende Angehörige. Denn durch den Austausch mit Gleichgesinnten erfahren sie, dass sie mit ihren Ängsten und Sorgen nicht alleine sind.

Prävention: Wie ist Gewalt in der Pflege zu verhindern?

Die Angst vor Gewalt in der Pflege und ihren Folgen ist häufig noch ein Tabuthema.
Die Angst vor Gewalt in der Pflege und ihren Folgen ist häufig noch ein Tabuthema.

Pflegebedürftige Menschen haben ein Anrecht auf eine würdevolle und gewaltfreie Pflege. Im stressigen und anstrengenden Pflegealltag ist es aber nicht immer einfach, seine Emotionen im Zaum zu halten. Gewalt darf aber dennoch niemals eine Lösung sein.

Haben Sie die Sorge, dass Sie in einem Moment der Schwäche die Fassung verlieren könnten, dann sollten Sie sich rechtzeitig Hilfe suchen. Beim Risiko für Gewalt in der Pflege setzt die Prävention bei der Ursachenforschung an. Können zum Beispiel Angebote der Tages- oder Verhinderungspflege zur Entlastung beitragen? Oder ist ggf. eine Unterbringung in einem Pflegeheim die bessere Alternative, um eine umfassende und gewaltfreie Versorgung zu gewährleisten?

Werden Sie körperlicher verletzt, bedroht oder massiv vernachlässigt? In solchen Fällen sollten Sie diese Gewalt in der Pflege nicht einfach hinnehmen, sondern sich an die Polizei wenden. Diese erreichen Sie rund um die Uhr über den Notruf 112.
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Aggression und Gewalt in der Pflege – ein Tabuthema
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Über den Autor

Nicole
Nicole P.

Seit 2016 verstärkt Nicole die Redaktion von anwalt.org. Zuvor absolvierte sie ein Studium der Buchwissenschaft und Kulturanthropologie in Mainz. Zu ihren thematischen Schwerpunkten zählen unter anderem die verschiedenen Aspekte des Verkehrs- und insbesondere des Urheberrechts.

2 Gedanken zu „Aggression und Gewalt in der Pflege – ein Tabuthema

  1. Monika

    Wo kann ich denn Gewalt in der Pflege anzeigen? Wie unbürokratisch und schnell kann dem Betroffenem denn geholfen werden aus der unerträglichen häuslichen Pflege zu fliehen? Ein Pflegedienst ist leider nicht integriert. Der MDK kommt seit Monaten, zur Überprüfung, nicht raus wegen dem Coronavirus. Der Betroffene muß derweil weiter in unzumutbaren Zuständen aushalten. So stirbt er bald, auf Grund der extremen Vernachlässigung, evtl. sogar Mißhandlung.

    1. anwalt.org

      Hallo Monika,

      strafbare Handlungen können grundsätzlich gegenüber Polizei und Amtsanwaltschaft angezeigt werden.

      Ihr anwalt.org-Team

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